Projektskizze

Der Soldat, das Krokodil und die HIMMLISCHEN VIER

Aus dem Wasser der Spree hinter dem Berliner Reichstag geht ein Krokodil an Land. Es kriecht langsam weiter, bis es bei der Besucherschlange vor dem Reichstag an-gekommen ist ... (Zuvor soll es in den Katakomben unter dem Flughafen Tempelhof gesehen worden sein.) Dann verschwindet es wieder im Wasser Richtung Havel.

Wenige Tage später fahren zwei sowjetische Panzer beim Reichstag auf. Sie führen mit sich einen offensichtlich erbeuteten LKW samt Anhänger. Es gelingt ihnen des Soldaten aus Brechts "Legende vom toten Soldaten" habhaft zu werden. Dieser irrt seit seiner überführung im Jahre 1990 in der Stadt umher. *

Die Panzer fahren mit dem LKW, auf dessen Anhänger nun der untote deutsche Soldat aufgebahrt ist, zum nahen Sowjetischen Ehrenmal, weiter zum ehemaligen Kontrollratsgebäude und dann stadtauswärts in Richtung Potsdam ...

Über Potsdam taucht am gleichen Abend ein alliierter Weltkriegsbomber auf. Luftschutzalarm ertönt, und Flakscheinwerfer leuchten den Himmel ab. Der Bomber wirft aber nur Flugzettel ab, die auf die Ereignisse des nächsten Tages hinweisen.

Am nächsten Tag brechen vier Veteranen der Siegermächte des zweiten Weltkriegs in einem Jeep von den Villen der Staatsoberhäupter auf, die 1945 das Potsdamer Abkommen schlossen, und fahren zur Glienicker Brücke. Kurz vor der Brücke gelangen sie auf Westberliner Gebiet, das exakt auf der Mitte der Brücke endet.

Auf der Glienicker Brücke warten die sowjetischen Panzer mit dem LKW und dem deutschen Soldaten. Die Vier nehmen ihn in Augenschein, setzen sich mit ihrem Jeep an die Spitze, und der Konvoi kommt in Richtung Potsdam in Bewegung. Zwei Frauen, eine nach der anderen, ziehen auf der Brücke den Grenzstrich.

Jetzt taucht das Krokodil wieder auf. Aus dem Westberliner Gebüsch am Havelufer bei der Glienicker Brücke. Vor der Grenzlinie auf der Brücke verharrt es, bis der Konvoi und die Zuschauer außer Sichtweite sind. Dann krabbelt es über die Linie ...

In Potsdam wollen die Vier aus den USA, Großbritannien, Frankreich und der UdSSR den deutschen Soldaten nahe der nicht mehr vorhandenen Garnisonkirche begraben. Als er unter der Erde ist, nähert sich das Krokodil.

Wie werden die Vier reagieren?

tsb, September 2005

Bis dahin wird die Geschichte des Soldaten erzählt in "DIE WUNDERWAFFE" (R: Thomas Schmitz- Bender, Peter Voigt; P: INA France, DEFA-Dokumentarfilm, Dokumentfilm 1989/90; 16 mm, 70 Min.). Das Gedicht soll in Berlin ebenfalls von Brechts Tochter Hanne Hiob rezitiert werden. zurück

Projektskizze 2003/2005

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Das Projekt wird die Fortsetzung eines anderen sein: der szenischen Umsetzung und Fortsetzung von Bertolt Brechts Legende vom toten Soldaten auf dem Schlachtfeld von Verdun, dem Soldatenfriedhof in Bitburg, dem Rhein und in der damaligen Hauptstadt Bonn. Ein gefallener deutscher Soldat wurde wieder ausgegraben und kriegsverwendungsfähig befunden, und das mehrfach, bis er in Bonn in sein eigenes Grab stieg. Dort blieb er aber nur ein Jahr und gelangte im Zuge der deutschen Einigung nach Berlin, wo er seitdem umherirrt.

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Beim jetzigen Projekt liegt der tote Soldat zunächst auf der Treppe des Reichstags in Berlin. Er soll dann hineingetragen und aufgebahrt werden. Brechts Legende würde von seiner Tochter Hanne Hiob gesprochen werden. Währenddessen sind vor dem Reichstag mehrere schwarz gekleidete Herren mit zwei sowjetischen Panzern und einem LKW aufgefahren. Sie würden in den Reichstag gehen, unter Absingen eines russischen Soldatenlieds, den toten Soldaten mitnehmen und ihn zum Cecilienhof bringen, dem Ort des Potsdamer Abkommen von 1945.

In der Nacht sollen in Potsdam die Luftschutzsirenen heulen und Flakscheinwerfer den Himmel anstrahlen. Ein britischer Bomber soll auftauchen, aber anders als in der Nacht des 14. April 1945 keine Bomben abwerfen, sondern Zettel, auf denen die Ereignisse des nächsten Tags angekündigt werden.

Am nächsten Tag wird der tote Soldat beim Cecilienhof von Vertretern der Siegermächte Frankreich, Großbritannien, der UdSSR und den USA in Gewahrsam genommen und von ihnen zu der Stelle geschafft, wo in Potsdam die Garnisonkirche stand und sich heute eine Imitation des Glockenspiels aus der Garnisonkirche befindet. Dort soll er wieder begraben werden. Anschließend begeben sich die Vier zum ehemaligen Flughafen in Berlin, nach Gatow, und fliegen mit dem britischen Bomber davon.

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Die Aktion, über deren Sinn sich jeder seine eigenen Gedanken machen wird, enthält viele spektakuläre Höhepunkte: das Auftreten im Reichstag, den Konvoi mit den sowjetischen Panzern, das Begräbnis eines Lebendigen, den Abflug in Gatow. Der Spektakulärste aber wird die Nacht in Potsdam sein, die mit dem britischen Bomber an die Zerstörung der Stadt zu Ende des letzten Weltkriegs erinnert.


Als Zeitpunkt für die Aktion ist der 61. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus ins Auge gefaßt (Mai 2006).



Thomas Schmitz-Bender

Dezember 2003/ Mai 2005