Dienstag, 31. Oktober - Revolution statt Krieg
„Ho - Ho - Ho Chi Minh“
Luther wegen blieben die Geschäfte heute geschlossen. Jeder Aufstand und jede Revolution hat ihre
Verräter, Peiniger, Folterer und Plünderer. Proletarische werden mit ihnen fertig und mehr ist zur
Mönckebergstraße am heutigen Dienstag nicht zu sagen.
Zu sagen hatten hingegen viele etwas am nicht sonderlich feiertagswürdigen „Störtebeker-
Denkmal“ im hinteren Teil der „Hafen City“. Ein Werk der deutschen Bourgeoisie eben. Es sei
erschreckend, wie die Völker wieder aufeinander gehetzt werden, stellt eine Familie fest, die hier
gerne Cafe trinken geht, nachdem sie jeden einzelnen der Wägen unseres Zuges genauestens
begutachtete. Historisches Gespür samt der Erkenntnis Thomas Manns, dass der Antikommunismus
die größte Torheit des 20. Jahrhunderts war, sind das Fundament einer kommenden Volksfront,
ohne die in diesem Land der Revolution die Luft zum Atmen fehlen wird.
Wir müssen lernen, so konkret wie möglich zu agitieren. Es ist schließlich nicht das gleiche, vor der
Elbphilharmonie, auch heute hatten wir wieder „die Ehre“, den Schlange stehenden Touristen etwas
zu erklären, was ihr Tagesprogramm schlicht nicht vorsah, wie es mit den Bewohnern
Wilhelmsburgs zu sprechen galt. Ihnen musste nichts erklärt werden, berichten nicht wenige
Verteiler auf dem abendlichen Plenum aller Mitkämpfer. Es war ihre Aktion, das ihr Lächeln
bereitete, die ihre Fenster und Balkontüren öffnete und ihre Fäuste recken lies. „Das
Kommunistische Manifest kapieren, heißt Mönckebergstraße versus Wilhelmsburg kapieren“. In
letzterem war heute - man höre und staune - „Ho - Ho - Ho Chi Minh“ zu hören. Die auf den vierten
Wagen aufgestiegenen Jugendlichen, geflohen aus Bulgarien und gelandet in der deutschen Realität,
wollten Bewegung. Sie kannten Dimitroff und geboren war „Ho - Ho - Ho - - - Georgie Dimitroff“.
Bilder auf den Straßen dieses Viertels - wertvoller als so manches Programm. Was aber dort tun, wo
„alles geheimnislos, aufdringlich, direkt“ klingt, wie die Süddeutsche Zeitung nach dem
Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie schrieb? Revolutionen sind gründlich, doch die dieses
Landes muss mit der Kulturbarbarei deutschen Schlags zurecht kommen. Wenn „ein raumfüllendes
Fortissimo hier unmöglich zu sein scheint“, wie es in der SZ weiter heißt und Musiker wie
Dirigenten es ablehnen, diesem Bauwerk noch ihre Klänge zu schenken, sollte keiner mehr leugnen,
dass der Klassenkampf nicht vor der Kultur halt macht. Sie ist Ausdruck seines Standes und in
ihrem Namen wurde von diesem Boden aus das Land überfallen, das mit der Oktoberrevolution in
der Musik ein neues Kapitel der Menschheit begann. Es ist schwierig und widerspruchsvoll, „aber
es ist“, wie Hanns Eisler 1957 feststellte und auf Wagen vier nachzulesen ist, „für die Künstler
unserer Zeit die einzig edle und würdige (Aufgabe)“.