100 Jahre Oktoberrevolution 2017 3.11.2017

Freitag, 3. November - Revolution statt Krieg

Was eine dritte Gerichtskammer aus Potsdam mit der Sicherheit bei VW zu tun hat

„Armen und Reichen ist es gleichermaßen verboten, unter einer Brücke zu schlafen!“ kann das bürgerliche Klassenrecht unverhohlen feststellen. Es ist die Gleichheit unter den Warenbesitzern, die Ökonomie des Mehrwerts, die ihr Recht, den Arbeiter ausbeuten zu müssen und damit Arm und Reich völlig neu schafft, durch ihre bürgerliche Revolution in die Gesetzesbücher und Verfassungen schreiben lässt. Was aber, wenn der bürgerliche Staat dem Arbeiter das Recht abspricht, unter der Brücke noch zu schlafen?
Am 3. November 2017, vier Tage vor dem eigentlichen 100. Jahrestag der Oktoberrevolution, bewegt sich der Aktionszug erneut durch Bremen. Hannover war sein ursprüngliches Etappenziel. Wie oft die Arbeiterklasse sich auf dem Weg zur Revolution wird in ihrer Taktik ändern müssen, kann man nicht wissen. Nur, dass es nicht selten sein wird und sie ihrem Gegner immer einen Schritt voraus sein sollte. Fehler wird sie begehen, aber zu früh oder zu spät zum Aufstand zu rufen, ist unverzeihlich. Immer wieder mussten die Bolschewiki ihre Truppen zum Warten drängen. Nur ein Tag zu früh und die Reaktion hätte noch siegen können.
„Revolution statt Krieg“ zieht am ehemaligen „Roten Haus“ am Buntentorsteinweg vorbei, dem Sitz der KPD in Bremen, bis am 13. April 1933 die SA einmarschierte. Es begann die Zeit, in der die Gesetzesbücher die gleichen blieben, der Arbeiter aber nicht mehr seine Gleichheit besaß, seinen Ausbeuter und seine Brücke zum Schlafen zu wählen. Das „Rote Haus“ dient den Nazis ab sofort als Folterstätte für Kommunisten, Antifaschisten, für diejenigen, die der Kriegsökonomie nicht dienlich sein wollten. Weil dem bürgerlichen Recht die Willkür folgen muss, weil der Faschismus immer zum Ziel hat, der Revolution zuvor zukommen, musste die Reaktion zuerst die Organisationen der Arbeiterklasse angreifen, ihnen ihre Versammlungsmöglichkeiten rauben und ihre Kunst, ihrem höchsten Ausdruck ihre Zukunft zu erkämpfen und den Imperialismus als das darzustellen, was er ist, der Kropf der neuen Zeit, verbieten.
Auf dem Weg nach Berlin liegt Brandenburg. Und was maßt sich das Verwaltungsgericht Potsdam an? Es verkennt nicht nur die Versammlungs- und Kunstfreiheit. Es verkennt in Gänze das Verhältnis zwischen Staat und Bürger in einem bürgerlich-demokratischen Rechtsstaat, es verkennt das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Es verkennt seine Aufgabe, Eingriffe des Staats abzuwehren, und nicht: gerichtlich abzusichern, dass der Staat in diese Rechte eingreift. Wo Niedersachsen noch von einer „Gefahr“ sprach, stellt sich Brandenburg über alles. Es macht das Klassenrecht zum Klassendiktat. Willkürlich erklärt es alles und jeden zur hypothetischen Gefahr, ohne noch den Versuch zu unternehmen, mit Paragrafen und Verordnungen juristisch den Verfassungsbruch zu kaschieren. Die Pariser Kommune, der Rote Oktober und die Befreiung dieses Landes, sie soll nicht gesehen werden, weil der Staat das so will. Punkt. Sie wollen vor der „Gefahr“ für Leib und Leben schützen und stürzen die Republik in das Gefilde, welches das Individuum nicht mehr kennt. Skifahren ist nicht mehr möglich, denn die „Gefahr“ des Abhangs für Leib und Leben lässt die Logik des willkürlichen Unrechts nicht mehr zu. Frage den Staat, ob du schwimmen darfst. Bitte um Erlaubnis, auf ein Motorrad zu steigen. Was sich „nur“ gegen die Akteure dieser revolutionären Kunst zu richten scheint, bleibt dort nicht stehen. Hier greift ein Staat in einem Maße in den Privatbereich eines Menschen ein, dass die bürgerliche Revolution Frankreichs so sehr ad absurdum geführt wird, wie es die Geschichte nur einmal kennt: In Berlin wurde sie geschrieben, kurz nachdem es von der SPD noch hieß, dass man im Reichstag ruhig für seine eigene Auflösung stimmen kann.

Hamburg und Bremen hingegen gaben noch Bescheid, dem Regisseur das Obligatorische zu überlassen, was ein Stück nötig hat: Selbst darüber zu bestimmen, wann, wo und wie lange eine Aufführung stattfinden soll. Könnte es ein Opernpublikum tolerieren, wenn die Lohengrin von Wagner wegen des Schutzes der Darsteller fünf Stunden länger dauert? Brandenburg verlangt dies, in dem es der künstlerischen Darstellung Schrittgeschwindigkeit auferlegt. Hier fürchtet sich der, der den Blockwart braucht, um seinen Krieg zu Ende zu bringen. Doch der Staatsapparat scheint sich nicht einig - es sind die Feinheiten des Gegners, die eine Revolution gnadenlos auszunutzenlernen muss. Der Aktionszug „Revolution statt Krieg“ taucht an den Stadtgrenzen Bremens ab und wird ab Sonntag, den 5. November in Berlin wieder zu sehen sein.

Freilich muss nun der sofortige Produktionsstop bei VW angeordnet werden. Die Gefahr dort spricht nicht im Konjunktiv, sondern zählt den Massenmord durch Vergiftung, Zwangsarbeit und Arbeitshetze. Die Arbeitermacht wird es sein, die die Mörder ins Gefängnis steckt. Niemand sonst. Sie wird es selbst sein, die sich um ihren Schutz und ihre Gesundheit kümmert. „Sie lösen dieses Problem nicht durch Erlass von Gesetzen, die das Trinken verbieten. (...) Die Sowjetdemokratie“, schreibt Julius Fucik in seinen Reportagen aus der Sowjetunion, „gibt der werktätigen Gesellschaft ein anderes Recht, sich in das Privatleben ́'einzumischen', das Recht der Kritik, der Belehrung, Beratung, Erziehung durch die Gesellschaft.“
Dieser Staat verdient es nicht länger, fortzubestehen. Enteignen wir die Kapitalisten! Es ist an der Zeit. In Walle, zum Schulende an der Helgolander Straße, stürmten Dutzende Jugendliche den Zug. Sie fragten nicht - sie wollten es wissen, bei „Gefahr“ für Leib und Kopf! Er ändert sich - manchmal schneller, als man denkt!
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